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Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement – Professor Dr. Stefan Seifert

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Forschung

Der Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement adressiert in seiner Forschung Kooperationen in Technologieprojekten, Telekommunikationsmärkte (insbesondere Mobilfunk und Internet), ökonomische Aspekte der Umweltpolitik (insbesondere Emissionshandelssysteme), die Wissensgenerierung in Wirtschaft und Wissenschaft sowie die industrielle Beschaffung.

Methodisch wird dabei auf interdisziplinäre Ansätze mit Elementen aus der BWL, der Spieltheorie, der Informatik und der empirischen Verhaltensforschung zurückgegriffen. Hierbei ist es ein Anliegen des Lehrstuhls, Ergebnisse der theoretischen Analyse auch empirisch zu überprüfen und in der Praxis umzusetzen. So werden beispielsweise theoretische Vorhersagen zu in der Praxis eingesetzten Auktionsverfahren mit Hilfe von Laborexperimenten überprüft.

Aktuelle Forschungsprojekte adressieren u. A. die folgenden Themen:

Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen

Im Bereich der anwendungsorientierten Forschung ist insbesondere der Vergleich von Auktionsformaten zu nennen, die beispielsweise von der Industrie im Rahmen der Beschaffung und von der öffentlichen Hand zur Versteigerung von Mobilfunklizenzen und Emissionszertifikaten eingesetzt werden. Mobilfunklizenzauktionen sind für eine Volkswirtschaft von großer Bedeutung. Neben der Generierung von beträchtlichen Erlösen für die öffentliche Hand, können sie die Marktstruktur einer Schlüsselindustrie über viele Jahre festschreiben, was erhebliche Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation und die Investitionen in innovative Technologien haben kann. Daher ist die gründliche Erforschung entsprechender Auktionsdesigns eine notwendige Voraussetzung für eine zukunftsweisende Lizensierungspolitik. Im Rahmen der europäischen Mobilfunklizenzauktionen der vergangenen Jahre ist beispielsweise interessant, dass vermehrt Auktionsformate zum Einsatz kamen, die im Unterschied zu bisherigen Mechanismen kombinatorische Gebote erlaubten. Kombinatorische Gebote unterstützen die explizite Bündelung von Frequenzblöcken sowie die explizite Spezifikation von Alternativen. Damit soll einerseits eine höhere allokative Effizienz erreicht und andererseits das sogenannte exposure-risk der Bieter reduziert werden, wodurch prinzipiell aggressivere Gebote und höhere Auktionserlöse für die öffentliche Hand vorstellbar sind. Allerdings sind die Vorzüge dieses Verfahrens eher intuitiver Art; bis heute fehlt sowohl ihr theoretischer als auch ihr empirischer Nachweis.

Neben theoretischen Überlegungen führte unser Lehrstuhl hierzu wirtschaftswissenschaftliche Laborexperimente durch. Die für den Rahmen solcher Experimente ungewöhnlich komplexe Entscheidungssituation ist den Experimentteilnehmern, wie Vorstudien mit klassischen, gedruckten Experimentanleitungen gezeigt haben, nur schwer vermittelbar. Daher hat der Lehrstuhl die experimentelle Methode um didaktische und grafische Werkzeuge zur Erklärung und Durchführung der Experimente erweitert. So können auch komplexe Entscheidungssituationen mit einem hohen Maß an Kontrolle und Reproduzierbarkeit untersucht werden.


Doppelauktionen

Jede Neuvergabe von Frequenzen wirft auch die Frage nach einer Neuverteilung früher zugeteilter Frequenzen auf (Refarming-Debatte). In Großbritannien wird seit einigen Jahren eine Erweiterung von Frequenzauktionen um eine Doppelauktionskomponente diskutiert, die es Mobilfunkbetreibern erlauben würde, eigenes Spektrum in der Auktion zum Verkauf anzubieten. Ein solches Vorgehen würde mit der Neuvergabe gleichzeitig die Refarming-Problematik lösen. Doppelauktionen untersucht der Lehrstuhl seit einigen Jahren. Das Thema ist mathematisch anspruchsvoll und in der Literatur ist im Gegensatz zu einseitigen Auktionen bisher kaum etwas über Gleichgewichte in Doppelauktionen bekannt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Annahme privater Wertschätzungen aufgegeben wird und Güter mit unbekannten Wertkomponenten betrachtet werden, wie es beispielsweise bei Mobilfunkfrequenzen der Fall ist. Wissenschaftlicher Fortschritt ist hier keineswegs sicher und nur schwer vorherzusagen. Dennoch sind unserem Lehrstuhl in den letzten Jahren einige wesentliche Fortschritte gelungen. So können wir zeigen, dass die potenziell unbeschränkte Menge von Gleichgewichten, die (zumindest numerisch) im Zweipersonenfall unter den Annahmen des IPV-Modells identifiziert werden können, signifikant kleiner wird, wenn unsichere Wertkomponenten berücksichtigt werden.


Paid-Peering Verhandlungen

Weltweit wird eine teils emotionale Diskussion um den Transport und die Gleichbehandlung von Daten im Internet geführt. Während die Debatte sich zunächst auf den lokalen Zugang zu Internetkunden konzentrierte, treten zunehmend Konflikte im Backbone-Bereich in den Vordergrund und werden insbesondere von den großen Inhalte-Anbietern mit dem Argument der Nichtdiskriminierung geführt. Beispielsweise führte in den Jahren 2013 und 2014 Netflix einen öffentlichkeitswirksamen Streit mit Comcast um die mutmaßliche Diskriminierung des Netflix-Video-Streaming-Datenverkehrs, welcher über die Drittanbieter Level 3 und Cogent transportiert wurde. Im Zuge ihrer Verhandlungen, einigten sich Netflix und Comcast letztendlich, eine direkte Peering-Verbindung zwischen den beiden Netzwerken der Unternehmen zu etablieren, für welche Netflix Zahlungen an Comcast leistet.

Für die zukünftige Entwicklung des Internets wird von entscheidender Bedeutung sein, welche Handlungsoptionen und Spielräume die beteiligten Unternehmen besitzen, welche Einigungen sie erzielen und welche Netz- und Infrastrukturmaßnahmen daraus folgen. Der Lehrstuhl führt hierzu in Kooperation mit der Goethe Universität Frankfurt verhandlungstheoretische Analysen durch, welche die komplexen Abhängigkeitsverhältnisse in modernen Netzwerkstrukturen berücksichtigen. Die Aussagen der theoretischen Betrachtung werden zudem mit Hilfe von Laborexperimenten überprüft.


Entwicklungspartnerschaften / industrielle Beschaffung

Die Beschaffungsfunktion hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunehmende Bedeutung im Kontext der gesamten unternehmerischen Aktivitäten gewonnen. Vor allem zwei Entwicklungen haben dazu beigetragen. Erstens wurden Beschaffungsprozesse strukturierter und wettbewerbsorientierter, speziell durch die Verbreitung von Beschaffungsauktionen. Zweitens ist es für Unternehmen zunehmend wichtig externe Wissensquellen, wie Zulieferer, in den  eigenen Produktentwicklungs- und Innovationsprozess zu integrieren. Als zentrale Schnittstelle zu den Zulieferern kommt der Beschaffungsfunktion damit auch eine zunehmend wichtige Rolle in der Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu.

In diesem Themenfeld beschäftigt sich der Lehrstuhl vor allem mit der Frage welche Anforderungen aus diesen Entwicklungen resultieren und wie sie in der Praxis bewältigt werden können. Im Zentrum der Forschungstätigkeit stehen dabei die Identifikation von Anreizproblemen in der Hersteller-Zulieferer-Beziehung sowie die Entwicklung von Ansätzen zu deren Lösung. Methodisch setzt der Lehrstuhl dabei neben der theoretisch-konzeptionellen und mathematischen Modellierung vor allem auch auf eine enge Zusammenarbeit mit Industriepartnern, die Zugang zu Informationen zur unternehmerischen Praxis in diesem Themenfeld eröffnet.


Dynamik und Messung des Wissensfortschritts

Von Beginn seiner Entwicklung an strebt der Mensch nach neuen Erkenntnissen und Lösungen für alltägliche Probleme (z. B. Bögen und Speere für die Jagd, Werkzeuge aus Steinen oder das Rad für den Transport). Ob in Pharmazie oder Technologie hat der Mensch im Laufe der Zeit durch Inventionen und Innovationen den Fortschritt und somit auch den Wissensstand vorangetrieben, der unseren heutigen Lebensstandard ermöglicht. Dabei waren viele zukünftige Entwicklungen aus der damaligen Sicht kaum vorhersehbar oder sogar nicht vorstellbar.

Doch was ist Fortschritt und ist dieser messbar? Wie sind Innovationen und neues Wissen zu bewerten und bedeutet Innovation immer auch Fortschritt? Der Lehrstuhl beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit Fragen der Dynamik und Messung des Wissensfortschritts, der Bewertung von Innovationen bzw. der Innovationskraft von Unternehmen und im Speziellen mit der Frage nach den Grenzen des Fortschritts. Viele Unternehmen sind darauf angewiesen stetig neue Innovationen hervorzubringen und bestehende Produkte zu verbessern oder neue auf den Markt zu bringen, um im Wettbewerb zu bestehen. Aber können Produkte beliebig oft verbessert werden? Eine zentrale Frage dabei ist, ob Fortschritt grenzenlos ist oder der Mensch doch irgendwann an die Grenzen des Machbaren stößt, lediglich marginale Verbesserungen erreichen kann oder gar eines Tages alle Probleme gelöst haben wird.

Die zahlreichen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik erzeugen eine stetig steigende Menge an prinzipiell verfügbarem Wissen. Da neue Erkenntnis und damit neues Wissen in der Regel auf bestehendem Wissen basiert („If I have seen further than others, it is by standing upon the shoulders of giants.“, Isaac Newton), müssen sich Forscher und Wissenschaftler zunehmend mehr Wissen aneignen, um an die bestehenden Grenzen des Wissens bzw. die sogenannte Cutting Edge zu gelangen und etwas Neues hervorzubringen – man spricht von einer Last des Wissens. Der Lehrstuhl beschäftigt sich u. a. mit der methodischen Frage, wie die Zunahme dieser Last gemessen werden kann und erhebt Daten, um diese empirisch nachzuweisen. Im Bereich von US-Patentdaten konnte Jones (2009) beispielsweise zeigen, dass das Alter von Erfindern bei ihrer ersten Patentanmeldung im Laufe der Zeit gestiegen ist und dass die Zeiträume zwischen zwei Patentanmeldungen des gleichen Erfinders länger geworden sind. Ausgehend von der Annahme, dass eine solche zunehmende Wissenslast existiert, untersucht der Lehrstuhl außerdem aktuelle Verhaltensmuster und Methoden von Forschern, Wissenschaftlern und Unternehmen, die bewusst oder unbewusst einem besseren Umgang mit dieser Last dienen.

Eine Übersicht über die Publikationen des Lehrstuhls finden Sie hier.


Verantwortlich für die Redaktion: Prof. Dr. Stefan Seifert

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